Mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung wären gut gewesen!
Die Bürger-Diskussion zum neuen Berger Rathaus kommt ein Jahr zu spät. Ab der Architektenausschreibung sind die Würfel gefallen. Gemeinderat und Jury können jetzt noch nachjustieren – die Bürgerschaft bleibt jetzt außen vor. Aber viele offenen Fragen, Forderungen und Vorwürfe bis hin zur Geheimniskrämerei hätte man mit besserer Information, mit mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung vermeiden können. Hoffentlich ist zumindest das ein Lerngewinn für die Kommunalwahl und die kommenden sechs Jahre. Und jetzt gilt es zu retten, was zu retten ist.
Für viele Bürger bleiben Frage zum Rathaus offen
Über Jahre gab es im Berger Gemeinderat viel Hin und Her über Notwendigkeit, Bauplatz, Anforderungskriterien, ökologische und architektonische Standards. Jetzt gibt es das „Huberfeld“ in Berg als Bauplatz, eine Architektenausschreibung und als Abgabetermin den 6. März 2020. Aber ein Teil der Bürger fühlt sich zu wenig informiert und beteiligt. Fragen bleiben offen. Das begann nicht erst mit der Architektenausschreibung:
Notwendigkeit? Wofür braucht Berg auf lange Sicht ein neues oder größeres Rathaus, wenn zunehmend mehr digitalisiert und manche Verwaltungsfunktion nach außen delegiert wird (z.B. Wasser, Abwasser)?
Nur Büroräume? Ist es klug, ein reines Verwaltungsgebäude auszuschreiben (mit 3 Einliegerwohnungen für Gemeindemitarbeiter)? Wären nicht zumindest auch flexibel nutzbare Räume für Vereine oder Veranstaltungen wünschenswert?
Finanzielle Auswirkungen? Welche Folgen hat der Rathausneubau für andere kommunale Aufgaben (z.B. den sozialen Wohnungsbau), wenn für grob geschätzt 14,5 Mio € fast alle Rücklagen der Gemeinde aufbraucht sind?
Umweltstandard? Darf man sich bei CO2-Neutralität und anderen Anforderungen aus Kostengründen (?) auf einen jetzigen Standard „Silber“ beschränken (ohne Blick auf langfristig laufende Kosten und ohne Anspruch auf den Vorbildcharakter der Gemeinde)?
Leuchtturmprojekt? Sollte ein Rathausneubau mit über 50 Jahren Lebensdauer nicht auch ökologisch, architektonisch und bürgerschaftlich ein mutiges Vorbild sein – so wie es die Windräder waren?
Bürgerbeteiligung? Ist es klug, dass Bürgermeister, Gemeinderäte und ein paar Berater alleine die Anforderungskriterien erarbeiten? Warum wurden im Vorfeld nicht auch Bürger befragt? Für Bürgerbeteiligung in der Bauplanung gäbe es seit langem bewährte Verfahren und Methoden, die Wünsche und Ideen der Bürger systematisch einbeziehen – und trotzdem die Letztentscheidung beim Gemeinderat belassen (sie PDF „Bürgerbeteiligung bei kommunalen Vorhaben und in der Stadtentwicklung„). Der Verweis auf die repräsentative Demokratie greift da zu kurz:
Das gewählte Vergabeverfahren fürs Rathaus
Bauprojekte kann man unterschiedlich ausschreiben. Jedes hat Vor- und Nachteile. Berg hat sich statt eines Architektenwettbewerbs für das „Verhandlungsverfahren“ (VgV) entschieden. Das reduziert die Angebote, gibt aber Gemeinderat und Bürgermeister mehr Mitsprachemöglichkeit. Der Prozess läuft folgendermaßen: Der Gemeinderat definiert Anforderungskriterien (in unserem Fall ohne Bürgerbeteiligung und ohne Bürgerinformation), fordert von 7 Architekturbüros Entwürfe bis 6. März 2020 (Geheim bleibt, wer warum ausgewählt wurde. In Berg haben nur 6 Architekten Gestaltungsstudien eingereicht). Dann prüft ein „noch zu bestimmendes Bewertungsgremium“ die Vorschläge (Die Mitglieder dieser Jury dürfen offiziell nicht genannt werden). Bereits im März könnte eine Entscheidung fallen, oder die favorisierten 2-3 Büros müssen ihr Angebot nochmals überarbeiteten. Dann wird nachverhandelt, nachgebessert und der Gemeinderat entscheidet. Dieses „nichtoffene“ Verfahren ist legal.
„Nicht alle 8200 Berger wollen beim Rathaus mitreden!“
Der Vorwurf des „geringen Bürgerinteresses“ wird schnell zum Bumerang. Bei wichtigen Themen ist es unseres Erachtens „Bringschuld“ der Gemeinde, die Bürger einzubeziehen. Es reicht nicht, auf öffentliche Gemeinderatssitzungen, auf (bisher wenig strukturierte) Bürgerversammlungen, auf Bürgerbriefe und eine erst schrittweise benutzerfreundlicher gewordene Gemeinde-Webseite zu verweisen. Auch der kurzfristig zu Beginn der Sommerferien angesetzte „Infoabend“ am 30. Juli 2019 (kein Diskussionsabend!) ließ viel offen, machte aber frappierend klar, dass bereits alle entscheidenden Eckdaten mit der Ausschreibung festgelegt sind.
Wir wollen nicht ungerecht sein, aber …
Bürgermeister und Gemeinderäte haben lange und kontrovers diskutiert, haben vor gut einem Jahr diverse Rathäuser besucht und mit Bürgermeistern und Verwaltungsleuten gesprochen. Jeder Gemeinderat formulierte dann seine Wünsche und Vorstellungen fürs neue Rathaus. Aber wir als Bürger wissen nichts über diese Besuche, über deren Ergebnisse, über die Wunschlisten und in welcher Art all das in die Ausschreibung eingegangen ist.
„Du hast keine Chance – nutze sie!“
Wir hoffen auf den Glücksfall kreativer und nachhaltiger Architektenangebote. Wir appellieren an die alten und neuen Bürgermeister und Gemeinderäte, dass sie für ihre Heimatgemeinde eine für Jahrzehnte vorbildhafte Entscheidung treffen. Dass sie in den anstehenden Detailverhandlungen auf ein anspruchsvolles, zukunftsweisendes „Leuchtturmprojekt“ hinarbeiten, das Zeichen setzt für Berg. Wir hoffen auf die Veröffentlichung der relevanten Fakten auf der Gemeinde-Website und fordern eine öffentliche Bürger-Diskussionsveranstaltung.
Und für die neue Legislaturperiode fordern wir eine bessere Informationspolitik, mehr Transparenz und mehr Bürgerbeteiligung! Bergauf für Berg!
Nachtrag vom 26.02.20
Mittlerweile hat sich ein überparteiliche „Initiative Rathausbau“ gebildet. Diese fordert das mit dem Neubau des Berger Rathauses ein ökologisches Vorbild errichtet wird, das auch dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Gemeinde Raum gibt!